Jan Wohlgemuth
Das Problem einer Wortarteneinteilung in der Bahasa Indonesia
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5.3 Dreyfuss (1979)

Dreyfuss macht in seinem Aufsatz Towards a definition of "nouniness" in Indonesian einen Ansatz, zu definieren, wann ein Wort der Bahasa Indonesia "substantivisch" zu nennen ist. Methodisch ist dies durchaus zu vergleichen mit Teeuws Adjektivklassifikation, jedoch geht Dreyfuss insofern weiter, daß er nicht versucht, die Klasse der Substantive zu definieren, sondern einen Kriterienkatalog zu entwickeln, anhand dessen man feststellen kann, ob eine noun-phrase (NP) "mehr oder weniger substantivisch" ist als eine andere. (vgl. Dreyfuss, S. 1)

Dabei interessieren ihn besonders die meN- und ber-Formen im Kontrast zu den Ableitungen mit -an, pe~an, peN~an, per~an, peN-, ke-, ke~an, se-, -nya und pe-.

Folgende Kriterien legt er an (vgl. ebd.):

  1. NPs können nicht mit tidak verneint werden.
  2. Nur NPs können einem Relativsatz vorausgehen.
  3. Nur NPs können nach einem Zahlwort + Zähleinheitswort stehen.
  4. Nur NPs können durch Pronomen ersetzt werden
  5. Nur NPs können grammatisch als direktes oder indirektes Objekt fungieren.
  6. Nur NPs können einem Verb mit -i-Suffix (in nicht-elliptischen aktivischen Sätzen) folgen.
  7. Nur NPs können Objekt einer Präposition sein.
  8. Nur NPs können von itu gefolgt werden.
  9. Nur NPs können dem "agent-marker" oleh folgen.
  10. Nur NPs können quantifiziert werden.

Dreyfuss merkt zu diesen Tests, wie er sie nennt, an:

"The above list is not intended to be exhaustive, nor are all the above 'NP' tests mutually exclusive. For example, an 'NP' that follows an -i suffixed verb (test 6) will automatically function as the direct object of that verb and thus pass test 5 as well. Thus these tests are not entirely independent of one another and are hence not all of equal weight. Further work will have to be done in finding tests which are perhaps more independent of one another. This is only a first attempt." (a.a.O., S. 1f)

Dazu nimmt er nun an einer Reihe Beispielwörter (Simplizia und Ableitungen mit den o.a. Affixen) die einzelnen Tests vor. Dies will ich hier in Auszügen wiedergeben.

Zu Test 1) stellt Dreyfuss klar, daß bukan nicht als Kriterium herangezogen werden kann, da Sätze wie "Bukan merah tetapi biru." ('Es ist nicht rot, sondern blau.') gültig sind, es einen Test "Nur NPs können mit bukan verneint werden" also nicht geben kann. Umgekehrt jedoch ist tidak als Negativkriterium brauchbar, da es nie auf eine NP bezogen werden kann..(vgl. a.a.O., S. 2)

Test 2) ist ein gutes Beispiel für die Kopplung von Kriterien: Da sowohl Formen wie gedung 'Gebäude', pembesar 'Vorgesetzter' und der Eigenname Harpo als auch solche wie menggambar 'zeichnen' und berlari 'laufen' einem Relativsatz vorausgehen können (vgl. a.a.O., S. 3), kann dieser Test nicht allein zu einem Ergebnis führen, das unterschiedliche Grade von Substantivität angibt, sondern er muß mit weiteren Tests kombiniert werden, welche die letztgenannten Formen "herausfiltern", und so ein differenzierteres Bild liefern.

Hierfür wäre beispielsweise Test 3) geeignet, der diejenigen Lexeme herausstellt, die nach Zahlwort + Zähleinheitswort stehen können. Dieser Test läßt keine meN- und ber-Formen zu, ist also strikter, wie Dreyfuss beschreibt:

"Thus, while meN- and ber- forms pass test number 2 [...] they fail test number 3, thus making test number 3 a 'stronger test' for 'nouniness' than test number 2, i.e. more constrained. In fact, test number 3 is 'too strong' in some ways. It throws out entities (proper nouns) which we would all agree are nouns (if anything is) if they happen to be already 'referentially specific'."(a.a.O., S. 4)

Auch Test 4) läßt meN- und ber-Formen zu, sie sind also anscheinend substantivischer als Formen wie merah 'rot' und cepat 'schnell'; ähnliche Resultate liefern auch die Tests 5) bis 8). (vgl. a.a.O., S. 4-6)

Hingegen ist Test 9) ein sehr strikter Test, der nur die "substantivischsten" Lexeme "durchläßt", nämlich diejenigen, die durch oleh 'mittels, durch' als Agens eines Satzes gekennzeichnet werden können.(vgl. a.a.O., S. 6)

Ebenso strikt ist auch Test 10), denn nur sehr substantivische NPs lassen sich quantifizieren und in folgenden frame einfügen: Di kota Malang ada tiga ______ ('In Malang gibt es drei ________'). (vgl. a.a.O., S. 6f)

Dreyfuss faßt zusammen, daß es drei mögliche Resultate für die Testreihe gibt. Ein Lexem kann demnach entweder "sehr substantivisch" sein, wenn es die strikten Tests (Nr. 1, 3, 9, 10) besteht, "etwas substantivisch", wenn es nur die anderen Tests (Nr. 2, 4, 5, 6, 7, 8) besteht, oder "gar nicht substantivisch", wenn es keinen Test besteht. Aufgrund des Befundes dieser Testreihe sieht Dreyfuss die meN- und ber-Formen als "etwas substantivisch" und einen Platz zwischen Substantiven und Verben einnehmend an, formal und funktional vergleichbar mit dem gerund im Englischen. (vgl. a.a.O., S. 7f)

Seine abschließende Feststellung faßt zusammen:

"What we have in fact is a continuum of 'nouniness' and thus, we define a 'nominal' for Indonesian as 'more or less' a nominal rather than 'is or isn't'. This seems a more useful way of handling the concept 'nominal' for Indonesian than does a definition which cues on 'formal' (i.e. morphological) characteristics only." (a.a.O., S. 8)

Ein ähnliches Fazit kann auch dieses Kapitel beschließen. Die Annahme starrer, übergangsloser Wortklassen ist (besonders) für die Bahasa Indonesia nicht haltbar. Vielmehr ist von graduellen Übergängen zwischen den verschiedenen Wortklassen auszugehen; wobei die Methode und die Auswahl der zugrundegelegten Kriterien teilweise recht unterschiedlich sind. Im folgendem Kapitel sollen die verschiedenen Methoden noch einmal in aller Kürze betrachtet werden, bevor ich abschließend selbst einen Versuch unternehmen möchte, eine mögliche Klassifikation der Lexeme der Bahasa Indonesia darzustellen.


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